Interview: Sie wollen Erfolg mit Aktivreisen? 2 Einkäufer von Busunternehmen verraten, wie

Worauf legen erfolgreiche Veranstalter von Aktivreisen beim Einkauf am meisten Wert? Rebecca Wies von Kästl Ost-Touristik hat nachgefragt, Kai Elter (Bröskamp-Touristik International) und Katharina Posch (Retter Reisen) haben geantwortet.

Integrieren Sie die Aktivreisen im Standard-Katalog oder gibt es einen (oder mehrere) Aktivkataloge? Oder vertreiben Sie online/über ganz andere Wege?

Kai Elter, Bröskamp: Die Aktivreisen sind in unserem Hauptkatalog integriert und wir markieren die Seiten farblich. Auch online sind unsere Fahrradreisen vertreten. Die beste Werbung sind allerdings unsere zufriedenen Reisegäste, die als Stammgäste immer wieder buchen und darüber hinaus durch Mund-zu-Mund-Propaganda neue Kundenkreise für uns erschließen.

Wie groß ist der Anteil an Aktivreisen an Ihrem Gesamtprogramm?

Kai Elter, Bröskamp: Der Anteil an Radreisen ist über die Jahre gestiegen. Wir sind in 2019 bei 12 Radreise-Terminen angelangt, alle mit sehr guter Buchungslage. Für 2021 werden wir noch mehr Fahrradreisen in unseren Katalog aufnehmen.

Welches sind die beliebtesten Destinationen für Rad-/Aktivreisen in Ihrem Programm?

Kai Elter, Bröskamp: Wir bedienen hauptsächlich Radreise-Destinationen in Deutschland und ausgewählte „Exoten“ wie Südtirol zum Gardasee oder die Niederlande. In Deutschland sind definitiv die Flussläufe sehr beliebt, aber auch unser italienischer Exot erfreut sich großer Beliebtheit.

Katharina Posch, Retter Reisen: Bei den Wanderreisen ist Südtirol im letzten Jahr der absolute Renner gewesen, wobei Slowenien mit dem Triglav Nationalpark fast an das Südtirol-Ergebnis heranreicht. Auch im Radbereich setzt sich Südtirol an die Spitze der Beliebtheit – gemeinsam mit den Radwegen an den Flüssen wie z.B. der Donau oder dem Main.

Wann reisen Aktivreisende am liebsten? Gibt es einen stärksten Monat für Rad- und/oder Wanderreisen?

Kai Elter, Bröskamp: Nein, wir können keine Saison-Präferenzen feststellen. Unsere Ausschreibungen richten sich nach der Verfügbarkeit unserer Rad-Anhänger, die auch sehr stark von Festgruppen für ihre Gruppenreisen nachgefragt werden, und verteilen sich zwischen Mai und Oktober. In allen Monaten sind die Radreisen gleich gut gebucht.

Katharina Posch, Retter Reisen: Unsere fast 40 Aktivreisen ziehen sich über die ganze Reisesaison hin, ich kann keinen Spitzenmonat definieren. Der Mai und der September sind starke Monate, aber das sind sie ja in der kompletten Gruppentouristik. Die Hochgebirgsregionen können wir im Bereich der Wanderreisen nur im Sommer anbieten, daher bieten uns die Wanderreisen im Sommer eine schöne Möglichkeit der Busauslastung.

Werden bei Ihnen eher kurze Radreisen mit Standorthotel oder eher längere Rad-Rund-Reisen gebucht?

Kai Elter, Bröskamp: In unserem Reiseprogramm beschränken wir uns hauptsächlich auf Radreisen mit Standorthotel. Dies liegt einerseits an der leichteren Planbarkeit als auch an der Vorliebe unserer Kunden, für die eine sternförmig vom Hotel ausgehende Radreise die bequemste Lösung ohne Kofferpacken gilt.

Katharina Posch, Retter Reisen: Bei den Wanderreisen haben wir fast nur Reisen mit Standorthotel im Programm. Bei den Radreisen machen Rundreisen mit wechselnden Hotels den Großteil unseres Programmes aus. Gerade an den Flüssen wäre es nicht sinnvoll, immer wieder die gleiche Strecke mit dem Bus zurückzulegen, um verschiedene Tagesetappen am Fluss radeln zu können. Hier bieten wir nur wenige Reisen mit Standorthotels an, die allerdings auch gut gebucht werden.

Welche interessanten Programmpunkte möchten Ihre Gäste in den Reisen integriert wissen? Kulturelle, kulinarische, andere?

Kai Elter, Bröskamp: Wir integrieren – außer dem ständigen örtlichen Radguide und den Mahlzeiten – wenig Extraleistungen. Die Radetappen sollen nicht in Stress ausarten und mit Termindruck versehen sein. Der Rad-Reiseleiter macht kleine Führungen in den Städten und schlägt immer mal wieder Extrapunkte vor, über die die Gruppe dann spontan vor Ort entscheidet. In Südtirol integrieren wir aber selbstverständlich die eine oder andere Weinprobe, das muss sein.

Katharina Posch, Retter Reisen: Wir haben die Kombination aus kulinarischen Aspekten und Wanderreisen im Programm gehabt, viele Verkostungen und besondere Degustationen und Verpflegungsleistungen integriert. Allerdings stellt sich heraus, dass die Aktivreisenden besonderen Wert auf die Aktivität legen und lieber nicht zu viele weitere Programmpunkte integrieren. Die örtlichen Reiseleiter bieten manchmal noch kleine Extra Programmpunkte neben dem Aktivprogramm an, die die Gäste vor Ort buchen können.

Was muss ein ideales Aktiv-/Rad-Hotel für Sie mitbringen?

Kai Elter, Bröskamp: Ein ideales Hotel für Radgruppen hat eine familiäre Atmosphäre, bietet eine gute und reichhaltige Küche, und idealerweise gibt es neben einem Fahrrad-Abstellraum auch einen Busparkplatz am Haus, an dem der Reisebus inklusive Rad-Anhänger parken kann. Ansonsten sind unsere Fahrrad-Gäste sehr flexibel und leicht glücklich zu machen – teils leichter als unsere „normalen“ Gruppenreise-Gäste.

Katharina Posch, Retter Reisen: Aktivreisende benötigen keine Luxusunterkunft; ein Wellnessbereich ist z.B. kein Muss. Für unsere Gruppenreisen buchen wir gerne Mittelklasse-Häuser direkt an der Strecke oder an einem guten Ausgangspunkt für die Touren und Wanderungen, gerne familiär geführt.

Worauf achten Sie generell bei der Auswahl Ihrer Partner für Aktiv/RadReisen?

Kai Elter, Bröskamp: Meistens höre ich auf meinen Bauch. Wenn ich ein gutes Gefühl habe, dass alles passt, dann buche ich. Natürlich sind ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, gute und bewährte Rad-Reiseleiter, eine gute Touren-Ausarbeitung und eine gute Lage der Hotels dabei Grundvoraussetzung.

Katharina Posch, Retter Reisen: Verlässlichkeit, Erfahrung und Know-How sind die wichtigsten Punkte für einen Partner im Aktivreisenbereich. Meist merkt man schon beim Angebot, ob eine Reise am Schreibtisch entstanden oder selbst erlebt oder zumindest vor Ort ausgiebig recherchiert ist. Schlecht ausgearbeitete Touren würden wir nicht buchen.

Wie viel % Ihrer Gäste möchten ein E-Bike nutzen?

Kai Elter, Bröskamp: Bei uns bewegt sich die Zahl der Ebike-Nutzer mittlerweile bei ca. 70 - 80%, mit steigender Tendenz. Wir bedienen E-Biker und Fahrräder ohne Elektroantrieb mit den gleichen Reisen. Das geht gut bei ein bisschen Rücksichtnahme.

Katharina Posch, Retter Reisen: Mittlerweile reisen 40% unserer Reisegäste mit dem Elektrofahrrad, unsere Rad-Gruppen sind alle gemischt. Es werden stetig mehr E-Bike-Nutzer.

Das E-Bike hat die Länge der bewältigbaren Streckenabschnitte im Laufe der Jahre deutlich verlängert. Bei welcher Länge der Streckenetappen fühlen sich Ihre Kunden wohl?

Kai Elter, Bröskamp: Wie eben gesagt bedienen wir keine reinen E-Bike-Gruppenreisen. Bei unseren gemischten Gruppen hat sich eine Streckenlänge von 50-60km bewährt. So bleibt ausreichend Zeit für Pausen, mal ein schönes Picknick oder eine Einkehr im Gasthaus und die Radler sind zufrieden mit ihrem Tagwerk. Kürzere Strecken von ca. 30 km haben wir in der Vergangenheit vereinzelt ausprobiert, aber die Gäste wollen mehr Aktivität bei ihrem Aktivurlaub.

Katharina Posch, Retter Reisen: Unsere Rad-Etappen betragen zwischen 40 und 75 km. Teilweise bieten wir auch kurze Radetappen mit der Option auf Verlängerung an. D.h. ein Teil der Gäste radelt bis zum Hotel, ein anderer Teil steigt für die letzten Kilometer in den Bus. Dies wird gerne angenommen.

Haben Sie eigene Rad-Anhänger oder leihen Sie diese aus? Oder leihen Sie Räder vor Ort für Ihre Kunden?

Kai Elter, Bröskamp: Wir besitzen zwei eigene Radhänger, die als Kombi-Anhänger nutzbar sind. Wir können mit jedem der Anhänger 36 - 40 Räder transportieren. All unsere Gäste wollen mit ihrem eigenen Rad reisen, keiner leiht vor Ort aus. Die Fahrräder sind teilweise mittlerweile richtig wertvoll und auf den Besitzer angepasst, daher möchte jeder das eigene Fahrrad beim Urlaub mit dabei haben. Auch feste Gruppen nutzen unsere Rad-Anhänger gerne und regelmäßig.

Katharina Posch, Retter Reisen: Wir haben 2 eigene Radanhänger, einer davon ein neuer Anhänger mit Lift von Bikeliner. Dieser Anhänger ist sehr komfortabel – auch für unsere Fahrer und Guides, da die schweren Räder nicht mit viel Kraft hochgewuchtet werden müssen. Außerdem ist die Gefahr geringer, dass beim Anheben etwas passiert. Die Räder sind teilweise sehr wertvoll. Unsere Gäste reisen ausschließlich mit dem eigenen Rad, kürzlich sagte eine Dame bezüglich Leihrädern zu mir „nein, da weiß man ja gar nicht, was man für ein Fahrrad bekommt“.

Wie handhaben Sie das Verladen der Räder vor bzw. während der Reise?

Kai Elter, Bröskamp: Spätestens 1 Tag vor Anreise werden die Räder auf unserem Betriebshof verladen. Das wird durch unsere Mitarbeiter erledigt. Während der Reise helfen die Gäste jederzeit mit. Unsere Stammgäste sind sehr kooperativ und packen gerne mit an.

Katharina Posch, Retter Reisen: Bei unseren Reisen werden die Fahrräder immer direkt am Anreisetag und direkt bei unserer Zustiegsstelle verladen. In Ausnahmefällen bitten wir unsere Gäste, die Reisen am Vortag abzugeben, das hat dann aber rein logistische Gründe. Durch unseren modernen Radanhänger ist das Verladen beim Zustieg kein Problem.

Was sind Hindernisse, die einer gelungenen Radreise im Weg stehen könnten?

Kai Elter, Bröskamp: Bei sorgfältiger Organisation außer Naturgewalten wie dem Wetter eigentlich keine. Selbst eine spontane Krankheit des Rad-Guides vor Ort konnten wir in der Vergangenheit schon bewältigen – die Gruppe hat sich selbst organisiert und hatte auch so eine gute Tour.

Katharina Posch, Retter Reisen: Bei jedem Sport sind Verletzungen möglich, also auch bei jeder Aktivreise. Aber ansonsten kann bei einer guten Organisation außer dem Wetter nichts die Reise verderben.

Gibt es zusätzlich zu allem oben schon verratenen – noch einen ultimativen Hinweis oder Tipp von Ihnen als Experten?

Kai Elter, Bröskamp: Da halte ich mich an unseren Firmenleitspruch von Herrmann Löns: „Das Wichtigste Stück des Reisegepäcks ist und bleibt ein fröhliches Herz.“

Katharina Posch, Retter Reisen: Wir nehmen immer zwei Guides mit. Entweder zwei von unseren eigenen Reiseleitern oder ein hauseigener und ein örtlicher Guide begleiten die Aktivreisen – vor allem die Radreisen. So können wir besondere Situationen ausgleichen, auf verschiedene Leistungsniveaus innerhalb der Gruppe eingehen und sowohl den Anfang als auch das Ende der Gruppe im Auge behalten. Und die oben beschriebenen Verletzungsfälle können so besser begleitet und gehandhabt werden.

Vorgestellt: Unsere Interview-Partner

Kai Elter, Bröskamp-Tourismus International:

Seit die Firma Bröskamp Touristik International vor 27 Jahren die erste Radreise mit einer festen Reisegruppe durchgeführt hat, gehören Radreisen fix zum Repertoire des Busreiseveranstalters. Das Aktivreise-Programm wurde ausgebaut und nimmt mittlerweile einen wichtigen Platz im Bröskamp Reiseprogramm ein. Da im letzten Jahr die ausgeschriebenen Radreisen so gut gebucht waren, dass Zusatztermine aufgelegt werden mussten, ist nicht erst seit Corona das Motto „An die frische Luft“ ein relevanter Bestandteil des Marketingkonzeptes, das Kai Elter, Leiter Einkauf & Marketing, verfolgt. Der Busreise-Profi, der seit vielen Jahren den Einkauf von Radreisen für das Reiseprogramm bei Bröskamp verantwortet, hat uns in einem kleinen Interview spannende Einblicke in seine Arbeitsweise gegeben.

Kommentar Rebecca Wies, Kästl Ost-Touristik:
Während des Gespräches habe ich mich sehr über die entspannte Atmosphäre gefreut. Sogar meine Rad-Herzens-Destination Frankfurt kam zur Sprache und ich konnte erzählen, dass auch ich persönlich gerne und viel Fahrrad fahre. Gelernt habe ich, dass meine Frisur egal ist, wenn der Helm nur sitzt, und dass ich niemals mit meinen Freizeitradler-Erfahrungen prahlen sollte. Wer weiß, ob ich es mit einem Profi-Radler oder gar einem Downhill-Mountainbiker zu tun habe… Danke, Herr Elter, für eine wirklich gelungene Interview- und Telefonkonferenz-Runde!

Katharina Posch, Retter Reisen

Seit fast 12 Jahren sind bei Retter Reisen in der Steiermark Rad- und Wanderreisen wachsender Bestandteil des Reiseprogrammes. Im Reisekatalog gibt es eine eigene Wander – sowie auch Radreisen-Rubrik und alleine die Radreisen bringen einen Bus für die ganze Saison auf die Straße. Ca. 35% des Reiseprogrammes machen Aktivreisen aus, erzählt Katharina Posch, die seit 7 Jahren für den Einkauf bei Retter Reisen angestellt ist und den Einkauf der Aktivreisen verantwortet. Tendenz steigend – vor allem bei den Radreisen, die laut Frau Posch seit der Verbreitung der E-Bikes stark wachsen und absolut im Trend liegen.

Kommentar Rebecca Wies, Kästl Ost-Touristik:
Spannend, wie einer unserer Österreicher Kunden das Thema Aktivreisen zu seinem Steckenpferd gemacht hat. Und ein wirklich nettes Telefonat. Inhaltsreich, informativ und fundiert. Mich freut es riesig, dass die Gäste in der Steiermark so gerne in Slowenien wandern, eines meiner persönlichen Wunsch-Wander-Ziele für dieses Jahr. Schauen wir mal, ob ich das realisieren kann…